Irminger, Chirurgus – ein Stück Zürcher Geschichte
Das Buch Irminger, Chirurgus von Erich Sutter ist zweierlei. Einerseits ein spannender Roman, packend und unterhaltsam über alle Seiten hinweg. Es ist jedoch mehr als nur ein Roman. Es erzählt die Geschichte der real existierenden Irminger-Sippe aus Pfaffhausen bei Zürich und blickt zurück in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts. Es zeigt auf, wie die Leute in und um Zürich damals lebten und wie die französische Revolution sprichwörtlich in die Schweiz einzog – mit dem Umbruch der Gesellschaftsordnung und den vielen Soldaten.
Ein sehr empfehlenswertes Buch für alle Liebhaber historischer Romane und natürlich für alle Pfaffhauser, Fällander und Zürcher.
Das Theater
Seit fünf Jahren lebe ich nun in Pfaffhausen, dem Ort, wo meine Frau aufgewachsen ist. Sie erzählt mir immer wieder viel von der Gemeinde Fällanden mit den drei Ortsteilen Fällanden, Benglen und eben Pfaffhausen, wo wir zu Hause sind. Auch vom alteingesessenen Pfaffhauser Geschlecht der Irmingers hatte ich am Rande schon gehört. Doch von der interessanten Geschichte, die dahinter steckt, erfuhr ich erst ab Weihnachten des vergangenen Jahres. Es fing an mit dem Geschenk meiner Frau zur Theateraufführung der Theatergruppe Fällanden. Sie feiern dieses Jahr ihr 50-jähriges Bestehen und inszenierten eine eigens für sie geschriebene Theaterfassung des Romans Irminger, Chirurgus, 2007 verfasst vom langjährigen Fällander Lehrer und Autor Erich Sutter.
Zur Feier unseres Jubiläums und als Dank an unser Publikum bringen wir eine bewegende Geschichte aus unserer Gemeinde auf die Bühne.
Die Aufführungen der Theatergruppe im Januar 2020 waren allesamt sehr gut besucht und überzeugten das Publikum rundherum. So auch uns. Wir gingen ohne zu grosse Erwartungen in die Zwicky-Fabrik in Fällanden und wurden äusserst positiv überrascht. Sie erzählten die Geschichte der Pfaffhauser Familien Irminger zwischen 1769 und 1799 unglaublich eindrücklich und trotz aller Tragik, die das Leben der damaligen armen Bevölkerung mit sich brachte, mit sehr viel Witz. Die Darsteller, von den Kindern bis hin zu den älteren Semestern, spielten ihre Rollen sehr überzeugend, was mich beeindruckte und immer wieder zum Staunen brachte. So stark mich die Theaterleistung faszinierte, so sehr interessierte ich mich nun für die Geschichte – und so traten wir den Heimweg mit dem Buch dazu im Gepäck an.
Die Geschichte
Der Roman Irminger, Chirurgus. Roman einer Ärztefamilie (1769-99) erschien bereits 2007 im Zytglogge Verlag. Dem Voraus gingen nochmals mehrere Jahre Recherchearbeiten durch den Autoren und damaligen Lehrer von Fällanden, Erich Sutter. Es ist ein Roman, doch existierten sämtliche Personen tatsächlich und die Eckpunkte der Geschichte sind real. Desweitern hat sich sehr vieles in den Jahren zwischen 1769 und 1799 auch wirklich so zugetragen. Das Buch erzählt die Geschichte der Pfaffhauser Familien Irminger, insbesondere der Vettern Hans Heinrich Irminger, Heinrich Irminger und Rudolf Irminger, ihren Familien sowie dem Helfer Heiri Irminger.
Zu dieser Zeit standen im Weiler Pfaffhausen, auf dem Höhenzug zwischen Zürichsee und Greifensee gelegen, gerade mal drei Häuser und ihre dazugehörigen Ställe. Allesamt wurden sie bewohnt von Mitgliedern der Irminger-Sippe. Sie lebten von der Landwirtschaft und mageren Einnahmen aus Baumwollspinnen und Handweberei. Zudem waren die Irmingers über Generationen hinweg als Scherer und Chirurgen tätig. Für die Menschen, teils aber auch für die Tiere. Im Normalfall brachte dies nicht sehr viel ein, reichte aber für ein ansehnliches Leben auf dem Lande. Besonders in der Stadt Zürich und dem rechten Zürichseeufer entlang, der heutigen Goldküste, gab es jedoch gutbetuchte Kundschaft, welche einiges mehr einbrachten.
Der wohl beliebteste aller Irminger war Heinrich Irminger, von allen nur Heiri genannt. Auf dem Hof seines Vaters Kaspar Irminger konnte man ihn nicht gebrauchen und so kam es, dass er von früh an seinem Vettern Hans Heinrich Irminger zur Hilfe kam. Diesem half er bis zu dessen frühen Tod bei der Arbeit als Scherer, dem Aderlass und dem Zubereiten von Arzneimitteln. Heiri brauchte nicht viel und war zufrieden mit Kost und Logis sowie einem kleinen Sackgeld. Nach dem Ableben von Hans Heinrich stand er dem anderen Vettern Heinrich Irminger bei, welcher ebenfalls als Chirurgus tätig war. Er zog einstmals zum Studium nach Strassburg, verfiel jedoch damals schon der Heilkunst, welche als Lachsnerei abgetan wurde und strengstens verboten war. Erst als er beinahe ein Berufsverbot als Arzt aufgebrummt erhielt, sinnte er sich eines Besseren und praktizierte von nun mit den herkömmlichen Methoden – nicht zuletzt dank der Mithilfe von Heiri.
Der dritte im Bunde war Rudolf Irminger, welcher den Frauen nachrannte und mehrmals vor dem Ehegericht landete, teils wegen unerlaubter Vaterschaft. Ebenfalls verbotenerweise wanderte er mit seiner Geliebten Elisabeth nach Pommern, in Deutschland aus. Doch schon bald kehrten sie wieder heim, wo sie zur Strafe erstmal ins Gefängnis gesteckt wurden – die Frau mitsamt Kleinkind. Nach der überstandenen Gefangenschaft schafften sie es, ein zufriedenes Leben in Pfaffhausen aufzubauen. Aus gesellschaftlicher Sicht den grössten Umbruch erlebten die Pfaffhauser, Fällander und Zürcher mit dem Einmarsch der französischen Soldaten Ende des 18. Jahrhunderts. Überall in den Häusern wurden Soldaten einquartiert, welche das Leben der Bewohner teils zur Hölle machten. Auch fanden erbitterte Kämpfe in der Gegend statt.
Der Autor
Der Autor Erich Sutter ist selbst stark verbunden mit der Örtlichkeit Pfaffhausen und der ganzen Gemeinde Fällanden. Der 1940 geborene Sutter wuchs im Zürcher Stadt-Quartier Unterstrass auf, absolvierte die Lehrerausbildung am Oberseminar in Zürich und war später als Primarlehrer in Zürich Höngg sowie in Lima, Peru tätig. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz war er langjähriger Lehrer an der Mittelstufe in Fällanden, amtete 12 Jahre als Gemeinderat von Fällanden und stand dem Greifensee-Schutzverein lange 18 Jahre als Präsident vor.
Wie seine Bücher zeigen, interessierte er sich stark für die Geschichte, insbesondere der Regionalen. So entstammen seiner Feder und Recherchen nebst Irminger, Chirurgus im Zytglogge Verlag weitere Werke wie Gesprengte Ketten und Keine Rettung möglich im Th. Gut Verlag. Zudem erscheint im April 2020 mit Vom Bäckergesellen zum Regierungsrat eine weitere Geschichte um einen Irminger des damaligen Zürich. Wiederum werden historische Fakten des 18. Jahrhunderts in eine spannende Geschichte eingepackt.
Irminger, Chirurgus von Erich Sutter erschien 2007 im Zytglogge Verlag.
Vom Bäckergesellen zum Regierungsrat von Erich Sutter erscheint im April 2020 im Th. Gut Verlag.
Dieser Beitrag erschien am 23. April 2020 ebenfalls auf meinem Blog querdurchdenalltag.com.
Kurzbeschreibung
Im 18. Jahrhundert war Pfaffhausen ein Weiler mit drei Häusern auf dem Höhenzug zwischen Zürichsee und Greifensee. Dort wohnte die alteingesessene Sippe der Irminger in kleinen Stuben und Kammern, eng zusammengedrängt, und ernährte sich, wie es damals üblich war, von etwas Landwirtschaft und den mageren Einnahmen des Baumwollspinnens und der Handweberei. Über mehrere Generationen hinweg waren jedoch auffallend viele Pfaffhauser Irminger zusätzlich als Ärzte – auch Scherer oder Chirurgen genannt – oder Tierärzte tätig. Einige waren als Wunderheiler und Zauberer verschrien, aber auch so berühmt-berüchtigt, dass der Begriff „Pfaffhauser Quacksalber“ geradezu sprichwörtlich wurde.
Heinrich Irminger (1746 bis 1818), eine der Hauptpersonen des Romans, wurde sogar bis nach Glarus gerufen. Dort sollte er das Kind kurieren, das angeblich von Anna Göldi, der letzten hingerichteten „Hexe“, verzaubert worden war. Alle wichtigen Personen in diesem Buch haben tatsächlich gelebt und die wesentlichen Ereignisse in ihrem Leben sind durch historische Dokumente belegt (entsprechende Gerichtsurteile sind im Originaltext wiedergegeben). Sie alle erlebten einschneidende gesellschaftliche Veränderungen, die ihren Höhepunkt in den Jahren 1798/99 fanden, als die alte Ordnung, das heisst die absolute Vorherrschaft der „Gnädigen Herren“ in der Stadt, zusammenbrach und die Französische Revolution auf die Eidgenossenschaft übergriff.
Buchtitel: Irminger, Chirurgus
Erscheinungsdatum: 2007
Autor: Erich Sutter
Verlag: Zytglogge Verlag
Haupthandlungsort: Europa, Schweiz, Zürich, Pfaffhausen / Fällanden
Genre: Historischer Roman