Träumen von der Freiheit in Angola

Was wäre ein leben ohne Träume? Wir haben doch hoffentlich alle einen Traum. Oder mehrere. Im Roman des Angolanischen Autors José Eduardo Agualusa geht es um die Träume verschiedener Protagonisten und wie mit kollektivem Träumen mehr erreicht werden kann, als mit gewalttätigen Protesten.

Ein etwas schräger, aber dennoch äusserst lesenswerter und unterhaltsamer Roman aus dem südlichen Afrika.

Der Journalist: Daniel Benchimol

Daniel Benchimol ist einer der beiden Hauptcharaktere des Romans Die Gesellschaft der unfreiwilligen Träumer von José Eduardo Agualusa. Da er als Journalist kritisch über sein Heimatland schreibt, erwzingt sein Schwiegervater die unschöne Scheidung von Lucrécia. Die beiden haben eine Tochter, Karinguiri, welche bei der reichen Mutter von Kindermädchen grossgezogen wird und die wenigen Tage mit ihrem Vater zu geniessen scheint. Mit 16 Jahren rebelliert sie mit Freunden gewaltlos an einer Rede des Präsidenten gegen die Regierung von Angola auf. Darauf werden sie und ihre jungen Freunde eingesperrt. Der Präsident will ein Exempel statuieren und die Jugendlichen im Namen der Demokratie verurteilen. Die sogenannten Revus gehen in Hungerstreik und wollen ebenfalls nicht nachgeben.

Daniel Benchimol selbst träumt immer wieder von einer schönen Frau. Als er nach seiner Scheidung beim Schwimmen im Meer eine Kamera findet, hat es darauf Fotos genau dieser Frau seiner Träume. Er macht sie ausfindig und besucht die Künstlerin Moira Fernandes in Südafrika. Gemeinsam mit Hélio de Castro forscht sie an der bildlichen Darstellung von Träumen und überzeugt Daniel, sich als Testperson zur Verfügung zu stellen. Was dabei herauskommt ist für alle erstaunlich.

Der Rebell: Hossi Apolónio Kaley

Hossi lebt sein ungefähr drittes Leben, da er nach eigener Aussage schon zweimal gestorben ist. Zu Zeiten des Bürgerkrieges in Angola war er Verhörspezialist bei der UNITA, der Nationalen Union für die völlige Unabhängigkeit Angolas. An seine damaligen Gräueltaten kann er sich aber kaum mehr erinnern, auch wenn Feinde aus dieser Zeit in seinem Hotel Arco-Íris, dem Hotel Regenbogen, auftauchen. Hossi kann selbst nicht träumen, kommt aber immer wieder in den Träumen seiner unmittelbaren Nachbarschaft vor.

Genau, wie ein Virus. Oder wie eine Radioantenne. Sie senden Träume aus, und andere auf Ihrer Welle nehmen sie auf. Und dann träumen sie Ihre Träume.

Dieser Umstand ruft den kubanischen Geheimdienst auf den Plan, welcher ihn kurzerhand nach Kuba verschleppt. Sie wollen, dass Hossi bewusst in die Träume der Bevölkerung dringt, um diese zu manipulieren. Doch Hossi hat keine Ahnung davon, was er in den Träumen anderer anstellt, da er selbst nicht träumen kann. Nachdem er angeschossen wurde und im Sterben liegt, verändert er mit seinem letzten Traum in den Köpfen der Bevölkerung Angolas die Haltung der Regierung – und rettet somit die eingesperrten Jugendlichen vor einer Verurteilung oder gar dem Hungertod.

Der Autor: José Eduardo Agualusa

Der 1960 in Huambo, Angola, geborene Autor José Eduardo Agualusa studierte Agrarwissenschaft und Forstwirtschaft in Lissabon, widmete seine Arbeit aber schon bald dem Journalismus und der Schriftstellerei. Sein erster Roman erschien 1989, heute sind es an die 50 Bücher, einige davon wurden auf Deutsch übersetzt. Der Roman Die Gesellschaft der unfreiwilligen Träumer erschien auf Deutsch im Februar 2019 im Verlag C.H.Beck. Heute lebt der Autor in Lissabon und auf der Ilha de Moçambique.

Die BUCHweltreise: Angola

Die lesende Reise nach Angola hat sich gelohnt. Der Roman ist zwar ziemlich schräg und man kann von der Deutung der Träume halten, was man will. Die Geschichte selbst ist aber ganz toll und man erhält einen kleinen Einblick in das Land im südlichen Afrika sowie in dessen Geschichte, begonnen bei der Unabhängigkeit von Portugal über diverse Bürgerkriege bis hin zur heutigen Zeit. Die tätsächlichen Fakten des Landes sind denn auch im Anhang des Buches noch informativ aufgeschrieben. So sind einige Parallelen vom Roman zur Wirklichkeit zu erkennen.

Dieser Beitrag erschien am 15. August 2019 im Rahmen der BUCHweltreise auf meinem Blog querdurchdenalltag.com.

Kurzbeschreibung

Der angolanische Journalist Daniel Benchimol, frisch und unschön geschieden, träumt immer wieder von einer aparten, eleganten Frau, dann findet er eine Kamera und entdeckt Fotos, auf denen eben diese Frau zu sehen ist, die Künstlerin Moira, die sich mit der Darstellung von Träumen beschäftigt. Sie lernen sich kennen und lieben.
Benchimols Freund, der ehemalige Guerillero und Hotelier Hossi, kann selbst nicht mehr träumen, taucht aber regelmäßig in den Träumen anderer auf, was sogar den kubanischen Geheimdienst auf den Plan ruft, der ihn zeitweilig entführt. Benchimols Tochter Lúcia schließlich träumt von einer freien Gesellschaft, demonstriert mit ihren Freunden gegen die autoritäre Regierung, wandert ins Gefängnis und geht in den Hungerstreik. Ihr Vater setzt alles in Bewegung, um sie zu befreien. In diesem wunderbar poetisch geschriebenen, rebellischen, aber auch komischen Roman geht es um die Sprengkraft, das Geheimnis und den Zauber von Träumen, die kollektiv geträumt, sogar ein Regime zum Abtreten zwingen können. Es geht um private, politische und utopische Träume und um die traumhaft verschlungene, rätselhafte Realität des Lebens selbst. Ein Fest des Erzählens.

Buchtitel: Die Gesellschaft der unfreiwilligen Träumer

Erscheinungsdatum: Februar 2019

Autor: José Eduardo Agualusa

Verlag: C.H.Beck

Haupthandlungsort: Afrika, Angola

Genre: Roman