Garry Disher: Wenn selbst der Polizei nicht mehr zu trauen ist
Mit Garry Disher reiste ich für ein Krimiabenteuer nach Südaustralien. Nach Tiverton, rund drei Stunden nördlich von Adelaide. Kurze Zeit nach Ankunft des neuen Dorfpolizisten Paul Hirschhausen, wird das Mädchen Melia Donovan tot im Strassengraben gefunden. Offensichtlich angefahren. Schnell wird der Tod als Unfall abgehakt. Nur Constable Hirschhausen glaubt nicht daran und ermittelt auch in andere Richtungen.
Als dann einige Zeit später Alison Latimer erschossen aufgefunden wird, ist Hirsch wiederum der einzige, der nicht an Selbstmord glaubt. Doch wie hängen die Fälle zusammen und was haben die Todesfälle mit dem ganzen korrupten Polizeiapparat zu tun? Spannung pur ist garantiert – bis zum letzten Satz.
Constable Paul Hirschhausen, oder kurz einfach Hirsch genannt, wird von Adelaide nach Tiverton versetzt. In Paradise Gardens, einem Vorortrevier von Adelaide, war er früher Detective gewesen, bis dort alles komplett zusammenbrach. Sein Vorgesetzter Marcus Quin und sein gesamtes Team wurden wegen illegalen und verbrecherischen Machenschaften verhaftet und verurteilt. Auch Hirsch wurde verdächtigt, doch scheint er der einzige Unschuldige zu sein. Rosie DeLisle, Beamtin der Internen Ermittlung, scheint jedoch die einzige zu sein, welche ihm Glauben schenkt.
Sie erwiderte nur, er solle die Schnauze halten. Offenkundig hielt sie ihn für Abschaum. Erst Tage, ja Wochen später besserte sich ihre Laune. Sie glaubt mir, dachte Hirsch – zumindest hat sie Zweifel.
Hirsch bleibt straffrei, gilt jedoch von nun an in Polizeikreisen als Verräter, da er schlussendlich gegen Quin und dessen Team aussagt. Die Geschichte lässt ihn nie mehr los. So wird er an seiner neuen Stelle nicht als Kollege, sondern als Verräter aufgenommen. Keine guten Voraussetzungen für mögliche Zusammenarbeiten. Doch Hirschs Posten in Tiverton ist eine Ein-Mann-Stelle. Sein Vorgesetzter, Seargent Kropp, sitzt in Redruth, dem nächst grösseren Ort.
Unfall und Selbstmord – oder doch Mord?
Wenige Wochen nach Antritt seiner neuen Stellung in Tiverton, wird am Strassenrand ausserhalb des Ortes das junge Mädchen Melia Donovan tot aufgefunden. Von einem Wagen angefahren und in den Strassengraben geschleudert. So scheint es zumindest gewesen zu sein. Der Fahrer ist geflüchtet und die Polizei geht von einem tragischen Unfall mit Fahrerflucht aus. Hirsch vermutet mehr dahinter, doch wird er von seinem Vorgesetzten, Seargent Kropp, mit einfachen Routinearbeiten ruhig gestellt.
Am Abend des Unglücks war Melia mit ihrer besten Freundin Gemma Pitcher unterwegs. Doch auch sie ist Hirsch keine grosse Hilfe und verschwindet kurze Zeit später spurlos. Es sind teils tragische Familienverhältnisse, welchen Hirsch in Tiverton begegnet. Nicht nur die Familien von Melia und Gemma, sondern besonders die Familie Latimer mit den Söhnen Jack und Craig. Die Mutter Alison scheint todunglücklich und der Vater Ray ist ein Tyrann und Faulpelz. Schlimmer ist nur noch der Grossvater Leonard.
„Die Ärmste hat sich selbst erschossen. Ich hab genug von dem Blödsinn“, sagte Kropp. „Ich will, dass Sie sich verpissen und nach Tiverton zurückkehren, für den Fall, dass jemand einen gestohlenen Rasenmäher meldet.“
Als nun auch noch Alison Latimer erschossen vor einer Hütte am Bachrand auf ihrem Grundstück aufgefunden wird, will Hirsch unbedingt die Hintergründe ihres Todes herausfinden. Sein Chef lässt ihn abblitzen und hakt den Tod Alisons als klaren Selbstmord ab. Am vermeintlichen Tatort wird die Spurensicherung nur nachlässig gemacht und mit Beweisstücken wird fahrlässig umgegangen. Zu Vorschnell gehen alle von Selbstmord aus. Nur Hirsch nicht. Doch wie hängt nun alles zusammen? Hängen die tragischen Vorfälle überhaupt zusammen?
Wem kann man noch vertrauen?
Nebst den Ermittlungen hat Hirsch besonders mit seinen neuen Kollegen in Redruth zu kämpfen. Er ist froh, möglichst wenig aus Tiverton nach Redruth zu fahren, doch wird er dort immer nur als Lügner und Verräter angesehen. Schlimmer wird die Sache, als immer mehr krumme Dinge aus den Polizei- und Justizkreisen offensichtlich werden. Gewalt und meist zu hartes Vorgehen durch die Constables Nicholson und Andrewartha sind nur die Spitze des Eisberges.
„Sie lügen.“ Dee rannte hinaus.
Hirsch ging ihr nicht nach. Ihre letzten Worte sprachen aus, was sein Leben für immer bestimmen würde. Was die Menschen für immer glauben würden.
Wem kann Hirsch innerhalb des Polizeiapparates überhaupt noch vertrauen? Einfache Antwort: niemandem. Auch die Bürger erheben schwere Vorwürfe gegenüber der Polizei und rufen eine Versammlung ein, um diese offiziell Kund zu tun. Was nun hervorkommt sind nicht nur willkürliche Kontrollen, sondern Gewalt, Vergewaltigung und Sexpartys mit jungen Mädchen. Mit Beteiligten bis zu hohen Stellungen in der Polizei und Justiz. Vom Constable bis zum Richter.
Machtlosigkeit auf dem Lande
Es scheint, als habe die Polizei auf dem Land die volle Macht über alles. Wer schaut schon hin, wenn ein Lausebengel verprügelt wird? Wer hört schon hin, wenn die Mädchen vergewaltigt werden? Sollen es die Bürger der Polizei melden? Melden bei jenen, die die Taten selbst begangen haben? Alle wissen davon, doch niemand getraut sich, etwas zu sagen.
Hier draussen, drei Stunden nördlich von Adelaide, gab es tatsächlich nichts ausser Weizen und Wolle. Hirschs neuer Posten war ein Ein-Mann-Revier in einem Kaff am Barrier Highway. Tiverton. Einmal geblinzelt, schon war man durch.
Und innerhalb der Polizei? Darf ein Polizist sein Wort erheben gegenüber einem Kollegen? Gilt er dann sogleich als Verräter und wird in keiner Polizeieinheit nie mehr freundschaftlich aufgenommen? Dieses Schicksal ereilte Constable Hirschhausen. Einst ein angesehener Detective bei Adelaide, wird er irgendwo ins Nirgendwo versetzt. Auf eine Ein-Mann-Polizeistation im einsamen Tiverton. Nur, weil er die Gerechtigkeit höher einstufte, als das Schweigen über Gewalt und Ungerechtigkeit.
Er schrie auf, Hirsch erkannte ihn: Nathan Donovan. Nicholson lachte. Er prügelte mit satten Knüppelschlägen auf den Jungen ein.
Doch auf dem Land regt sich Widerstand. Die Bürger von Redruth und Tiverton erheben ihr Wort gegenüber der Polizei und erwirken, dass die ganze Polizeitruppe um Seargent Kropp ersetzt wird und die fehlbaren für ihre Straftaten büssen. Auch Constable Hirschhausen findet sein Glück in Tiverton. Er möchte sesshaft werden und sein Herz findet seinen Platz bei Wendy Street, dessen Tochter Katie Hirsch im Laufe der Geschichte gar das Leben gerettet hat.
Kriminalromane aus Australien
Der australische Autor Garry Disher wurde 1949 geboren und wuchs im ländlichen Südaustralien auf. Heute lebt er mit seiner Familie auf der Halbinsel Mornington, Victoria, südlich von Melbourne. Nebst Kriminalromanen schreibt er auch Romane, Kinder- und Jugendbücher sowie Sachbücher, etwa über die australische Geschichte. Der erste Roman von Garry Disher erschien 1987.
Im deutschsprachigen Raum ist er vorallem durch seine Kriminalromane bekannt. Besonders seine Reihen um den Berufskriminellen Wyatt sowie Inspector Hal Challis erreichten Berühmtheit. Die Bücher von Garry Disher wurden immer wieder ausgezeichnet. So belegte beispielsweise der Kriminalroman Bitter Wash Road Platz 1 der KrimiZEIT-Bestenliste im März und April 2016, wurde im Juli 2016 als Bester Krimi der Saison beim Magazin Buchkultur in Wien ausgezeichnet und im Dezember 2016 als Bester Krimi des Jahres der KrimiZEIT-Jahres-Bestenliste. Weiter belegte das Buch Platz 3 der Kategorie International beim Deutschen Krimipreis im Januar 2017.
Ich schreibe nur über das, was mich auch selbst interessiert – und was ich selbst lesen würde!
Garry Disher
Grund genug also, sich den hier vorgestellten Krimi Bitter Wash Road von Garry Disher zu besorgen. Auch wenn man sich als Leser zu Beginn noch etwas mit Hirsch anfreunden und sich selbst von seiner Unschuld überzeugen muss, ermittelt und fühlt man schon bald mit ihm mit. Es sind aber die teils äusserst armseligen und tragischen Familienverhältnisse, welche einem nahe gehen. Und wenn man unter solchen Umständen nicht mal mehr der eigenen Polizei, auch in Australien der Freund und Helfer, vertrauen kann, wem dann?
Nebst Bitter Wash Road erschienen von Garry Disher mehrere weitere Kriminalromane, welche ihr in voller Übersicht in meinen Lese-Empfehlungen findet.
Auf BUCHweltreise in Down Under
Mit Garry Disher und besonders Constable Hirschausen reiste ich nach Australien irgendwo ins Nirgendwo. Weit weg einer grösseren Zivilisation und rund drei Stunden nördlich von Adelaide, spielten sich nicht nur idyllische Landszenen ab. Die Polizei ist korrupt und gewalttätig und der neue Polizist des Ortes gilt als Lügner und Verräter. Optimale Voraussetzungen für ein spannendes Buch.
Meine weiteren Reiseberichte von tollen Geschichten, Krimis und Thrillern findet ihr in meinem BUCHweltreise LESEreisebuch. Dort sind sämtliche Beiträge und Bücher mit ihren jeweilgen Ländern aufgelistet. Noch mehr interessante Reiseorte gibt es bei Yvonne auf umgeBUCHt, welche die BUCHweltreise vor über einem Jahr ins Leben gerufen hat. Ein Besuch lohnt sich definitv auch bei ihr.
Dieser Beitrag erschien am 12. April 2018 im Rahmen der BUCHweltreise auf meinem Blog querdurchdenalltag.com.
Kurzbeschreibung
Die Kriminalromane von Garry Disher spielen sich irgendwo in Australiens Nirgendwo oder auch in Sydney und Melbourne ab. Nebst einigen unabhängigen Büchern schreibt der Autor die beiden Krimireihen mit Wyatt sowie mit Inspector Hal Challis.
Buchtitel: Bitter Wash Road
Erscheinungsdatum: 2017
Autor: Garry Disher
Verlag: Unionsverlag
Haupthandlungsort: Australien
Genre: Krimi